Ziel der Tagung war nicht, einen Handlungsleitfaden zu präsentieren, sondern den Teilnehmenden die Spannbreite aufzuzeigen, damit diese ihre eigene Haltung dazu entwickeln können. Die Referenten beleuchteten das Thema aus ganz unterschiedlichen Perspektiven.
Professor Dr. Christian Kind, ehemaliger Präsident der zentralen Ethikkommission der schweizerischen medizinischen Akademie, führte in die diversen Herausforderungen des Themas ein. Dr. phil. Dirk Richter von der Fachhochschule Bern erklärte, dass es für ihn die psychiatrische Perspektive bei diesem Thema nicht gäbe. In Richters Referat wurde deutlich, dass in den Niederlanden vor allem Menschen mit Demenz den assistierten Suizid in Anspruch nahmen, während Menschen mit anderen psychiatrischen Krankheitsbildern kaum darauf zurückgriffen. Richter forderte für die Schweiz ein eigenes Monitoring hierzu.
Ueli Nef vom Rechtsdienst des Gesundheitsdepartements St.Gallen erklärte die rechtlichen Rahmenbedingungen, die sehr viel Interpretationsspielraum lassen und dadurch für Unsicherheiten sorgen. PD Dr. Dr. Ulrich Hemmeter stellte einen Fall aus der Praxis vor und Manuel Trachsel beschrieb dazu, wie man die Urteilsfähigkeit – eine unbedingte Voraussetzung für den assistierten Suizid – feststellen kann. Dr. med. Bernadette Ruhwinkel ging u.a. auf die psychosozialen Faktoren von älteren Menschen ein, die eher ein fragwürdiges Spiegelbild der Gesellschaft seien.
Im Workshop von André Böhning ging es um die ethischen wie religiösen Aspekte, die in dieser Fragestellung eine Rolle spielen.
Es war eine Tagung mit vielen spannenden, fachlich guten und auch sehr kontroversen Diskussionen.
Dr. theol. André Böhning
Mitglieder der Fachgruppe Ethik, Psychiatrie St.Gallen Nord
Präsentationen der Referenten
- Bueche Daniel, KSSG
- Kind Christian, SAMW
- Richter Dirk, Berner Fachhochschule
- Ruhwinkel Bernadette, Institut für ökologisch-systemische Therapie
- Nef Ueli, Rechtsdienst, Gesundheitsdepartement des Kantons SG
Worum es ging
Das Erwachsenenschutzrecht stärkt die Autonomie und das Selbstbestimmungsrecht von Patienten und Patientinnen. Es fördert einerseits die Verantwortung von Patienten und Patientinnen für die Behandlung und fordert zur persönlichen Auseinandersetzung mit der eigenen Situation und Erkrankung auf. Andererseits führt es aber immer wieder in Spannungsfelder und Grauzonen hinein. Nicht selten stösst man an Grenzen und das aus guten – aber nicht von allen Beteiligten geteilten – Gründen! Das zeigt sich auch im Umgang mit dem Wunsch nach dem assistierten Suizid von psychisch kranken Menschen. Die Spannweite ist gross: Wenn in der Psychose Stimmen zum Suizid auffordern, stellt das die eine Seite dar. Wenn jemand mehrfach schwere depressive Phasen erleben musste und somit weiss, was künftig auf ihn zukommt, ist das eine andere Seite. Hinzu kommen die Werthaltungen sowohl von den Patienten, als auch von den behandelnden Personen, die politischen und nicht zuletzt die juristischen Rahmenbedingungen. Diese Aspekte verdeutlichen, weshalb die Diskussion des assistierten Suizids in der Psychiatrie nicht mit der nötigen Klarheit, Differenziertheit und Konsequenz geführt wird. Dennoch lassen sich Qualitätsmerkmale für den Umgang mit dem Wunsch nach dem assistierten Suizid von psychisch Kranken entwickeln. Die Tagung vom 15. März 2019 hat einen Beitrag dazu geleistet. PD Dr. med. Dr. phil. Ulrich M. HemmeterDr. theol. André Böhning
Mitglieder der Fachgruppe Ethik, Psychiatrie St.Gallen Nord
15. März 19 08:00 - 15:20 Uhr
Ort
Psychiatrie St.Gallen Nord
Standort Wil
Hörsaal, Restaurant C03
Zürcherstrasse 30
9500 Wil
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