Klinikkapelle Wil

«Fanstastisch, diese Kirchenfenster von August Wanner.»

Der bekannte Künstler August Wanner (1886-1970) schuf zwischen 1920 und 1930 drei Fenster, in denen sich erkrankte Menschen mit ihren eigenen Geschichten gut wiederfinden können:

Die Klinikkapelle gibt es seit Gründung des Standorts Wil der Psychiatrie St.Gallen im Jahr 1892. Sie war alten Zeichnungen gemäss anfangs ein schlichter und schmuckloser Gottesdienstraum mit durchsichtigen Fenstern. In den 20er und 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts sollte dies sich grundlegend ändern. Der bekannte Künstler August Wanner (1886-1970), der viele Kirchenfenster der Region gestaltete, erhielt den Auftrag, auch die Fenster für diese Kapelle zu entwerfen.

Eine Heilungsgeschichte

Im neuen Testament gibt es zahlreiche Heilungsgeschichten. Von Menschen ist dort die Rede, die nicht sehen, gehen, sprechen oder hören können. Sie werden von Jesus geheilt. Doch Vorsicht! Das biblische Heilungsverständnis ist nicht mit dem naturwissenschaftlichen heutigen Denken gleichzusetzen. Heil im biblischen Sinn ist zum Beispiel die Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Denn Kranke wurden damals an den Rand gedrängt. Der Kranke im Kapellenfenster (siehe nebenan) ist «am Boden». Der zerbrochene Krug deutet die dramatische Situation an: Er kann damit kein Wasser schöpfen, um den Durst zu stillen. Jesus kann sein Leid nicht verhindern, aber darin gibt er ihm neue Hoffnung, Kraft, den Mut aufzustehen und schliesslich eine neue Lebensperspektive.

Der heilige Gallus

Auf einem Kirchenfenster im Chor ist der heilige Gallus (550-640) dargestellt. Nach ihm ist der Kanton St.Gallen benannt. In den meisten Darstellungen sieht man Gallus mit einem Bären, eine Anspielung auf die berühmte Legende, wie Gallus den Bären zähmte. Nicht so in dieser Darstellung. Hier sehen wir Gallus, der sich in der Mülenenschlucht in St.Gallen in den Dornen verfängt. Gallus suchte im Jahr 612 einen Ort für seine Einsiedelei. Dabei verletzten ihn die Dornen so, dass er seine Suche nicht fortsetzen konnte. Er entschied sich zu bleiben. Aus diesem zunächst ungewollten Halt wuchs nach und nach das heutige Kloster in St.Gallen. Diese Erfahrung von Gallus kennt man in Zeiten der Krankheit auch: auf dem eingeschlagenen Weg nicht weiter kommen, sich verheddern und verzetteln, in sich selbst gefangen sein, straucheln, sich verletzen, nicht wissen, wie es weitergeht, Mut für Neues u.v.m.

Die Erzählung von Gallus ist sowohl eine solidarische «Ich kam einmal im Leben auch nicht weiter.» und eine mutmachende und hoffnungsvolle Erzählung «Ich lernte, dass es anders als erwartet weiter ging.».

Der heilige Othmar

Als Gründer des Klosters St.Gallen gilt dennoch der heilige Othmar (689-759). Unter seiner Leitung engagierte sich das Kloster nach aussen in der Pflege und Fürsorge für Arme und Kranke. So verbesserte sich in seiner Zeit auch die Infrastruktur, indem er eine Armenherberge und das sogenannte Siechenhus bauen liess. Medizingeschichtlich ist das Siechenhus die älteste beurkundete Pflegeeinrichtung der Schweiz. Es begann eine erste systematische und durchdachte Versorgung von Kranken.

In der Fensterdarstellung sieht man Othmar mit den üblichen Attributen, mit Abtstab und Weinfass. Der Stab steht für die Rolle des Abts, des Klostervorstehers. Warum aber ein Weinfass? Es spielt, so die Legende, bei der Rückführung des Leichnams Othmars von der Insel Werd im Rhein über den Bodensee nach St.Gallen eine grosse Rolle. Obwohl die Ruderer angesichts des Sturms Durst bekamen und viel trinken mussten, wurde das Fass nicht leer. Das ist eine Anspielung auf den Bibelvers «Wer Durst hat, soll zu mir kommen und trinken!» (Joh 7, 37) und die nicht versiegende Quelle des Glaubens. Krankheit ist eine Zeit des «Dursts», d.h. der Sehnsucht nach Gesundheit, Hilfe, Kraft, Unterstützung und tragenden Antworten auf zentrale Lebensfragen. Spiritualität und religiöser Glaube gelten als hoffnungsvolle Lebensquellen, die auch in Krisenzeiten nicht versiegen und Halt bieten.

Maria – Die grosse Panhagia (Allerheilige)

Im Vergleich zu den Fenstern stellen die russischen Ikonen, die Engel neben dem Kapelleneingang und die Marienikone einen Kontrast dar. Formal und inhaltlich gehört zur Marienikone der Bibelvers aus Jesaja 7, 14: «Darum wird euch der Herr ein Zeichen geben: Siehe, eine Jungfrau wird schwanger werden, und sie wird einen Sohn gebären, den wird sie nennen Immanuel (Gott ist mit uns)». Das bedeutet letztlich, dass Gott durch die Menschen «zur Welt kommt», spürbar und erfahrbar wird, die sich von seiner Botschaft berühren, inspirieren und «befruchten» lassen. Da Maria als «Fürsprecherin» der Menschen bei Gott gilt, werden in der Kapelle Kerzen angezündet, um eine Bitte oder Dank vor Gott zu tragen. Ein kleines Licht ist hier und da ein Hoffnungsschimmer.

Öffnungszeiten der Kapelle

Montag bis Freitag

während der Bürozeiten, über den Haupteingang C01 oder die beiden Seiteneingänge


Samstag/Sonn- und Feiertage

Sommerzeit 12.00–16.00 Uhr, Winterzeit 12.00–15.00 Uhr, ausschliesslich über die Aussentreppe

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