Sucht und Abhängigkeit bei älteren Menschen

«Es ging nicht mehr ohne die Beruhigungsmittel. Erst wollte ich es nicht wahrhaben. Jetzt bin ich froh, in Therapie zu sein.»

Zeichnet sich bei Ihnen eine mögliche Abhängigkeit ab? Damit sind Sie nicht allein. Eine Therapie kann helfen.

Eine Abhängigkeit von beispielsweise Alkohol, Beruhigungs- und Schlafmitteln oder Schmerzmitteln ist bei älteren Menschen keine Seltenheit. Wenn der ältere Mensch nicht mehr ohne die regelmässige Tablette oder sein alkoholisches Getränk leben kann, ist eine Sucht entstanden. Die Abhängigkeit kann psychischer oder körperlicher Natur sein.

Wann spricht man von einer Sucht und Abhängigkeit bei älteren Menschen?

Von einer Sucht oder Abhängigkeit spricht man, wenn man eine Substanz mit Abhängigkeitspotenzial und mit psychischen Wirkungen – eine sogenannte psychotrope Substanz – regelmässig einnimmt und die Einnahme nicht mehr folgenlos unterbrechen oder stoppen kann: Es hat sich eine körperliche und/oder psychische Abhängigkeit entwickelt.

Beim Entzug – also, wenn man die Substanz plötzlich nicht mehr regelmässig einnimmt – können körperliche Symptome auftreten, z.B. Kopfweh, Zittern, starke Unruhe, Verwirrtheit, optische Halluzinationen. Das Sehen von «weissen Mäusen» beim Alkoholentzug ist ein weiteres Beispiel dafür. Diese Symptome zeigen, dass eine körperliche Abhängigkeit eingetreten ist.

Ausserdem können beim Weglassen des Suchtmittels psychische Symptome auftreten – das dringende Verlangen nach der Substanz, Stimmungsschwankungen, Störungen des Gefühlslebens, psychisches Unwohlsein. Hier zeigt sich die psychische Abhängigkeit, die in der Entwöhnungsphase zum Vorschein kommt.


Wie entstehen eine Sucht und Abhängigkeit bei älteren Menschen?

Viele Patientinnen oder Patienten berichten, dass sie ohne zu wollen in die Sucht «hineingeraten» sind. Suchterkrankungen im Alter entstehen durch den regelmässigen und unkritischen Gebrauch von abhängigkeitsauslösenden Substanzen, insbesondere von Alkohol und Medikamenten. Die Entwicklung der Sucht hat auch damit zu tun, dass psychische (z.B. Unruhe, Unwohlsein, Schlafstörungen, Gedanken und Gefühle, wie sie für die Depression typisch sind) und körperliche Probleme (z.B. Schmerzen) einseitig mit Medikamenten oder Alkohol behandelt werden. Wichtige andere Behandlungen – vor allem eine Gesprächstherapie mit einer Fachperson – werden leider nicht in Anspruch genommen. Oft spielen Scham und falsche Erwartungen eine weitere Rolle, dass die Patientinnen und Patienten zu Suchtmitteln greifen.

 

Man unterscheidet die primäre und sekundäre Sucht:

  • Mit dem primären Suchtverhalten werden der Missbrauch und die Abhängigkeit von Alkohol und Medikamenten ohne zugrundeliegende psychiatrische Erkrankung bezeichnet.
  • Im Gegensatz dazu entwickelt sich die sekundäre Abhängigkeit in der Folge von Depressionen, Angstzuständen oder z.B. chronischen Schmerzen.

 

Die häufigsten Ursachen für Sucht im Alter sind:

  • Veranlagung / Vulnerabilität (Suchterkrankungen oder psychische Erkrankungen in der Familie)
  • Stressfaktoren
  • Selbstmedikation oder unkontrolliertes Weiterführen einer nur für den vorübergehenden Einsatz verabreichten Medikation
  • Primäres Suchtverhalten – Missbrauch und Abhängigkeit von Alkohol und Medikamenten
  • Sekundäres Suchtverhalten – nach der Behandlung von anderen Erkrankungen

Wer ist von der Sucht und Abhängigkeit bei älteren Menschen betroffen?

Sucht und Abhängigkeit kann alle älteren Menschen betreffen. Teilweise ist die Sucht bereits in der mittleren Lebensspanne aufgetreten, teilweise kommt es erst nach dem Renteneintritt zu einer Abhängigkeit.


Welche Symptome sind typisch für die Sucht und Abhängigkeit bei älteren Menschen?

Eine Sucht oder Abhängigkeit ist dadurch gekennzeichnet, dass sich beim Weglassen der suchtauslösenden Substanz Entzugssymptome entwickeln. Typisch sind:

  • Zittern, körperliche Unruhe
  • Schwitzen, Blutdruckschwankungen, Kollapsneigung
  • Tachy- oder Bradykardie
  • Schmerzen und Kopfschmerzen
  • allgemeines körperliches Unwohlsein
  • Stuhlunregelmässigkeiten
  • epileptische Anfälle
  • Delirien, also schwere Verwirrtheit, auch mit Halluzinationen und Wahnvorstellungen

 

Die genannten körperlichen Symptome können verbunden sein mit psychischen Symptomen, wie

  • Verhaltensauffälligkeiten
  • ohne die Substanz kann nicht mehr in gewohnter Form gelebt werden
  • Unruhe, Nervosität, Schlafstörungen, Missempfinden, wenn Substanz nicht verfügbar ist
  • Alltagsaktivitäten sind darauf ausgerichtet, die Substanz zu besorgen und einzunehmen

 

Bei Suchterkrankungen und Abhängigkeit können auch weitere und unspezifische Symptome auftreten, wie man sie von anderen psychischen Krankheiten kennt, z.B.

  • Konzentrations- und Gedächtnisstörungen
  • allgemeine Ängstlichkeit, depressive Verstimmung
  • innere Unruhe, Schlafstörungen
  • Antriebsminderung
  • Verwirrtheit, Halluzinationen
  • soziale Isolation
  • Verwahrlosung
  • Unterernährung, Vitaminmangel
  • Inkontinenz
  • Polyneuropathie

Wie wird die Diagnose gestellt?

Der Arzt, die Ärztin befragt Sie als Patientin oder Patient zum Umgang mit Suchtmitteln, aber auch zum Befinden und Verhalten. Wenn nötig werden – mit Ihrem Einverständnis – Ihre Angehörigen interviewt. Zudem werden Herz- und Kreislauffunktion untersucht sowie die Blutwerte bestimmt, die auf eine Schädigung des Körpers durch die Suchtmittel hinweisen können.

Häufig ist eine Suchtproblematik mit anderen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, chronische Schmerz- und Schlafstörungen verbunden. Ob solche Erkrankungen vorliegen, ist ein wichtiger Aspekt und wird deshalb immer abgeklärt.


Wie wird die Sucht und Abhängigkeit bei älteren Menschen behandelt?

Zu Beginn der Behandlung steht eine Analyse der Situation und eine genaue Planung. Welches Ziel möchte man erreichen, wie geht man vor, mit welchen Komplikationen und Stolpersteinen sollte man rechnen? Oft ist es sinnvoll, das «grosse Ziel» in Zwischenziele aufzuteilen. Wenn die Ziele geklärt sind und Sie als Patientin oder Patient motiviert sind, werden ein Entzug und eine Entwöhnung von der abhängigkeitsauslösenden Substanz gemacht. Danach empfehlen wir eine Rehabilitationsbehandlung. Insbesondere bei Störungen mit Alkohol wie auch mit Schmerz- und Beruhigungstabletten wird (fast) immer eine Abstinenz angestrebt. Dadurch ist die Prognose wesentlich besser als bei einer kontrollierten Einnahme.

Es ist wichtig, das Leben ohne Suchtmittel zu planen und zu trainieren. Nicht selten kommen während der Behandlung bisher wenig beachtete Symptome zum Vorschein wie z.B. Unruhe, Ängste, Schlafstörungen, negative Gefühle. Die Behandlung dieser Symptome ist ein wichtiger Teil der Suchttherapie.

Neben der Diagnostik und Behandlung von körperlichen Erkrankungen und durch das Alter bedingten körperlichen Veränderungen kommen folgende Therapieverfahren zum Einsatz:

Was können Betroffene tun?

Wenn Sie glauben, abhängig zu sein, sprechen Sie mit einer Fachperson über das Thema. Die Hausärztin, der Hausarzt und die Mitarbeitenden in unseren Ambulatorien sind geeignete Ansprechpartnerinnen und -partner.


Wie können Angehörige unterstützen?

Wenn Sie vermuten, dass Ihr Angehöriger oder Ihre Angehörige abhängig oder suchterkrankt ist, sprechen Sie mit der Person darüber und suchen Sie gemeinsam Unterstützung bei einer Fachperson, z.B. bei der Hausärztin, beim Hausarzt, in unseren Ambulatorien oder bei den Suchtfachstellen der Gemeinden.


Wo wird die Sucht und Abhängigkeit bei älteren Menschen behandelt?

Die Sucht und Abhängigkeit bei älteren Menschen behandeln wir an allen unseren Standorten.

Wen kann ich bei Fragen kontaktieren?

Anmeldung und Information

  • Information und Beratung zu Behandlungsangeboten der Psychiatrie St.Gallen

  • Entgegennahme von Anmeldungen an den Standorten Pfäfers und Wil

  • werktags von 8.00 - 17.00 Uhr besetzt, davor und danach diensthabender Arzt, diensthabende Ärztin